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“Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen“ - prophezeit Loge am Ende des 'Rheingold' und wenn ein Regisseur sich entschließt, die Mythen und Märchen, des 'Ring' in die heutige Zeit zu transferieren, endet das Leben der meisten unserer heutigen Zeitgenossen eben im Altersheim.

Der offene Orchestergraben sendet massive Klangwogen unter der Leitung des GMD Roman Brogli-Sacher in den Raum, so dass die Musikfreunde die Sorge sehrt, ob für die Protagonisten mit ihren stimmlich schweren und langen Partien die Reise durch den Siegfried nicht eine 'zwangvolle Plage! Müh' ohne Zweck!' werde. Hier nun zeigt sich der Vorteil des Bühnenbildes von Momme Röhrbein, das uns durch die Drehbühne in leicht zu wechselnde verschiedene Räume führt, wobei die hintere und seitliche Abschottung des jeweiligen Bühnensegments sängerfreundliche nach vorne offene Kleinräumigkeit schafft.

Glücklicherweise haben wir es bei Alfons Eberz (Siegfried), Arnold Bezuyen (Mime) und Stefan Heidemann (Der Wanderer) mit kampferprobten, ihre Kräfte bewusst einteilenden Sängern zu tun, die uns geradezu beglückend mitteilen, dass sie großen Spaß am Singen haben.

Zu Anfang wird uns Mime, der frühre 'weiseste Schmied' als Direktor der Anstalt in seiner äußerst bescheidenen Küche präsentiert. Ein wenig Natur darf es im Bühnenbild sein und so sehen wir auf der hinteren Bühne einen Steilhang mit ausgestopften Vögeln. Siegfried erscheint tatsächlich mit einem Bären (Heiko Buller), das Publikum kichert und es wird das Bärenkostüm wohl in der Verkauften Braut wiedersehen. Das Gezänk zwischen zwei Tenören, wenn sie wie in Lübeck bei ihren Rollen mit einem jugendlich belcantesk singenden und einem Charakter-Tenor richtig besetzt sind, ist für die Zuhörer amüsant und es dokumentiert Richard Wagners genaue Kenntnis der Stimmendramaturgie. Bezüglich der Textverständlichkeit war man allerdings für die Übertitel dankbar.

Stefan Heidemann, auf den wir Hannoveraner stolz ein können, da er hier an der Musikhochschule studierte, ist ein prächtiges Mannsbild, in schwarzes Leder verpackt mit kleidsam langem Nackenhaar, den Speer auf den Rücken geschnallt, den Motorradhelm in der Hand, ein 'lonesome hero', der mit seiner virilen Präsenz und seinem behutsam zu satter, dunkler Fülle gereiften Heldenbariton die Szene so beherrscht, dass es der jungen Nachbarin entfährt: "Mann, der kommt rüber!"
Die Rätselszene kann ziemlich fade sein, aber dank der Intensität der Sängerdarsteller Bezuyen und Heidemann geht es wirklich um Kopf und Kragen und die Todesdrohung wird durch das Werfen von Dartpfeilen auf die Zielscheibe und die Messer veranschaulicht. Mime‘s Verzweiflung ist bei solch kraftvollem Schícksalsgott verständlich

Der Zuschauer fragt sich dann, warum das Schmieden des Schwertes durch Siegfried, getragen von gewaltiger Musik auf einer solch lächerlichen Kochplatte stattfinden muss. Auch fragt man sich, warum der Kostümbildnerin Angelika Rieck, wenn sie denn in Alfons Eberz schon mal einen gut aussehenden, leichtfüßig agierenden Strahlemann als Siegfried hat, nichts besseres einfällt als ein schlabberiges T-Shirt, schlabberige weiße Schmuddelhosen und die üblichen Turnschuhe.
Umso mehr erfreut sich das Publikum an den untadelig heldentenoral gesungenen Schmiedeliedern, in denen ein strapaziöses hohes A das nächste jagt. Die Handgriffe an den mickrigen Gerätschaften scheinen den Helden allerdings zu irritieren, vielleicht hat er eine andere Version im Kopf, so dass niemand bedauerte, als mit wohlgezieltem Schwerthieb die erbärmlich mickrige Küchenzeile zusammenbricht.

Die Bühne dreht sich, im nächsten Raum sitzt Alberich (Antonio Yang) im Rollstuhl, ordenbehangen wie ein Sowjetgeneral vor einem Schachspiel - eine sinnvolle Chiffre für Wotans kaltblütige Machenschaften - der sich durch drohend düstere Synkopen angekündigt und von Alberichs kernig-hellem Bariton als 'schamloser Dieb' am Spieltisch niederlässt. Als erfahrener Machtpolitiker streut Wotan Hoffnung und Vermutungen in Alberichs gierigen Sinn und als er Fafner aufweckt, erscheinen erstmal kleine Ableger: ein winziges Hündlein mit Drachenkamm auf dem Rücken, das zur Gaudi des Publikums über die Bühne trippelt, dann eine lebende Anaconda auf dem Arm einer feschen Wärterin (Saskia Sieke). Im 'Siegfried', von Wagner als 'heroisches Lustspiel' konzipiert, dürfen also auch wir Zeitgenossen ein bisschen Spaß haben. Wotan hetzt Alberich gegen dessen Bruder Mime auf und verschwindet, kräftig beschimpft als "leichtsinniges, lustgieriges Göttergelichter!"

Wieder eine Drehung der Bühne, ein Raum mit weißem Lämpchen, das durch seinem Drehmechanismus Sternlein erzeugt, ein Vogelkäfig und in einem Sessel eine schlafende Puppe. Hier soll also Siegfried das Fürchten lernen, das Waldweben erleben und dann auf Fafner, den Hüter des Hortes treffen. Nach all dem Getöse freuen sich die Ohren über die zarten Streicherklänge in E-Dur und eine Projektion zeigt einem grünen Wald - endlich ein wenig Farbe im Anstalt-weiß!
Liedhaft und poetisch singt Alfons Eberz seine Sehnsucht nach der Mutter im piano mit dem schönen, natürlichen Timbre, eine wohltuende Erinnerung an den Ursprung seiner stimmlichen Entwicklung. Als es ihm nicht gelingt, ein Rohrinstrument zu schnitzen, um mit dem Waldvogel zu plaudern, erscheint der Hornist Claudius Müller in bayerischer Tracht und bläst ganz hervorragend den 'Ruf'. Fröhlich entlässt ihn das Publikum, Nach erneuter Drehung der Bühne erscheint ein Goldmonument, Fafner (Gary Jankowski mit eindrucksvollem Bass) mit dem Hort zu einer wabbeligen Masse verschmolzen. Vor Mime warnt Fafner sterbend Siegfried. Der kostet vom Drachenblut und versteht nun den Waldvogel. Der ist bei Regisseur Pilavachi eine niedliche Krankenschwester, gespielt von Andrea Stadel und für sie wegen Krankheit ersetzt, von Olga Peretyatko jubelnd gesungen.

Nach dem Gezänk der Unterweltsbrüder Alberich und Mime warnt der Waldvogel Siegfried, der das Fürchten noch nicht gelernt hat, vor Mime, der jetzt im feinen schwarzen Barkeeper-Anzug im nächsten Raum auf der Drehbühne hinter dem Tresen steht und virtuos mit Spirituosen hantiert. Ein Fest für den operettengestählten Erzkomödianten Arnold Bezuyen, der sich in Sektlaune trinkt, um auf dem hohen B startend: "Ich will dem Kind nur den Kopf abhaun" - köstlich hysterisch zu geifern. Es nützt aber nichts, Siegfried tötet ihn, den ekligen Schwätzer und schleift ihn zum Gold-Monster. Nun ganz allein spürt er seine Einsamkeit, die unruhigen Hormone der Pubertät, das Vöglein weist ihm den Weg zum vom Feuer umgebenen Fels, auf dem Brünnhilde auf die Erweckung durch den "der das Fürchten nicht kennt", wartet und er stürmt davon in einen wilden Aktschluss in E-Dur.

Das Motivgewebe aus Götternot, Walkürenritt und Entsagung leitet den 3. Akt ein, sehr üppig kommt es aus dem offenen Orchestergraben. Erda sitzt als graues, altes Weiblein im Rollstuhl, an der Wand lehnt ihr Portrait aus Jugendtagen, eine hübsche Frau im schwarzglitzernden, schulterfreien Kleid als der schwarzlederne Wotan sie aufweckt. Ein satter tiefer Erda-Alt ist eine Seltenheit und so plagt sich Ulrike Schneider mit der für sie unbequemen Lage der Partie. Mit intensiver gesprochenem Text könnte sie fehlende Fülle überbrücken, so aber ist sie bedauerlich blass.Dabei zeigt die Personenführung sehr delikat das Verhältnis zwischen Mann und Frau zwischen zärtlicher Vertrautheit und Brutalität.
Aber Erda kann Wotan nicht die "Sorge besiegen" helfen, zu sehr hat er sich in "eigener Fessel" gefangen. Wütend stürzt er sie zu Boden, würgt sie, breitbeinig über ihr stehend. Es ist auf den Punkt gebracht wie Friedrich Engels es beschreibt: "Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts." Sie dauerte Jahrtausende und ist "allmählich beschönigt und verheuchelt, auch stellenweise in mildere Formen gekleidet worden; beseitigt ist sie keineswegs."

Da Wotan alle Fäden seiner Pläne noch in der Hand zu halten meint, hat er auch dem Waldvogel Weisung gegeben, der in der Gestalt der kessen Krankenschwester von ihm bezahlt wird. Dann trifft er seinen Enkel Siegfried und es ergibt sich sogar ein Moment inniger Nähe bis es zum Generationsstreit kommt, der Speer der alten Gesetze zerbricht, Wotan in sich zusammengesunken verabschiedet sich vom Vertragsmotiv und sagt wie alle Großväter: "Zieh hin, ich kann dich nicht halten!"

Die Bühne dreht sich, es erscheint ein Jungmädchenzimmer mit Blümchenvorhängen ein von Blümchen umrahmter Frisiertisch. Ein Portrait Vater Wotans als Fliegergeneral ziert die eine Wand, die andere der präparierte Kopf Granes, am Haken hängt die Walküren-Fliegerkluft und der Helm. Vor dem Fenster glimmt nur ein Flämmchen, so dass Siegfried ohne Brandblasen hindurchsteigen und das schlafende 'Hildchen' bewundern kann. Ein heftiger Hormonstoß lehrt ihn das Fürchten, er ruft nach der Mutter, küsst die Schlafende wach, die elegante Harfe in der Seitenloge jubiliert und eine ausgeruhte Sopranistin erhebt sich gegen einen Tenor, der schon drei Stunden lang gesungen hat.

Rebecca Teem fühlt sich in der hohen Lage ihrer Partie wohl, singt sehr frisch und leuchtend, während sie sich bei der Walküren-Brünnhilde so quälte, dass ihr am Ende die Töne wegblieben. Jetzt aber erfreuen wir uns am Legato der liedhaften Phrasen, das hohe C des "Leuchtender Sproß!" gelingt. Sie ziert sich, er umwirbt sie, man turtelt, sie gerät in feurige Erregung gekrönt vom hohen H "das wild wütende Weib". Sie hüllt ihren Siegfried in einen weißen Generalsmantel, sie kleidet sich um in Erda's Abendkleid, die Zielgerade in C-Dur ist erreicht mit "Leuchtende Liebe! Lachender Tod!" - das hohe C ganz prächtig, Triolen und Triller im Orchester, Schlussakkord fortissimo. Jubel im Publikum.
Eine Aufführung, die sich, wenn man sich an das sehr laute Orchester gewöhnt und das Bühnenbild eventuell mit Schmunzeln erträgt, dank der ausgezeichneten Sänger zu besuchen lohnt.

Die Kunstreise des Richard-Wagner-Verbandes Hannover wurde noch umrahmt und bereichert von einem sehr erhellenden Vortrag im Buddenbrook-Haus, einem gehaltvollen Orgelkonzert in der Marienkirche, einer Diskussion und der gelungenen szenischen Aufführung des 'Felix Krull' von Thomas Mann, dessen tiefe innere Beziehung zu Richard Wagner den Mitgliedern des Verbandes zur Bereicherung wurde.

 

MLG
 

 

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