Der RWV-Hannover ist in Fortsetzung der Fahrt zum "Rheingold" in Lübeck im letzten Jahr nun auch voller Spannung am 21. September zur "Walküre" gereist
Um das Gesehene und Gehörte zu verarbeiten wollen wir es beginnend mit dieser Fahrt zukünftig weiter so halten, dass ein solcher Besuch auf dem nächsten Jour Fixe besprochen wird.
Wir haben eine erfahrene Rezensentin, Fr. Ks. Prof. Marie-Louise Gilles, in unserem Vorstand, die die als allgemein positiv empfundene Aufführung mit Mitgliedern auf unserem Jour Fixe durchaus kontrovers diskutiert hat.
Hier eine Zusammenfassung dieser Diskussion von Marie-Louise Gilles:
Ein eindrucksvoller Abend aber auch Fragezeichen
Wenn ein Theater mit einer Orchesterstärke von 66 Mitgliedern, .d.h. TVK B, sich entschließt Wagners "Ring" aufzuführen, bedeutet das für die Musikfreunde der Region ein großes, geradezu patriotisches Erlebnis und für den Kulturetat eine Anstrengung wie das Ausrichten einer Europameisterschaft.
Sollen attraktive, fähige und bezahlbare Athleten nach Lübeck verpflichtet werden, möchte die Theaterleitung und der ehrgeizige GMD Roman Brogli - Sacher, der wie die meisten Dirigenten einmal die Macht über ein Ringorchester anstrebt, eine kompetente Mannschaft aus Gästen und hauseigenen Kräften zusammenzustellen, die das Unternehmen tragen kann, dann reiben sich die Agenturen die Hände, können sie doch ein gutes Geschäft machen und zu recht oder auch gewissenlos ehrgeizigen Rollendebütanten ihren Wunsch erfüllen.
Die Musikfreunde des Richard Wagner - Verbandes waren angereist und mischten sich erwartungsfroh unter das gepflegte Lübecker Publikum im schönen Jugendstil -Zuschauerraum. Schwungvoll und wachsam führte Roman Brogli - Sacher Orchester und Sänger durch den Abend, Zeit für lyrische Stellen lassend, obwohl andererseits ein "forte" in diesem Raum nicht die Sänger zudecken sollte.
Der Bühnenbildner Momme Röhrbein bot alles, was das moderne Schauspiel auf die Bühne packt. Naturalistische Moospolster und Zweige, eine trash - Wohnung für den reichen Hunding und seine arbeitsunwillige Hausfrau Sieglinde, bewegliche Projektionsflächen für filmische Rückblenden und Ãœberwachungen, das goldene Bettzeug für Wotan, den Diktator, der Flugzeughangar für das Walküren - Kampfjetgeschwader, ein wildes Gemisch, aber wenigstens kein Schlamm oder sonstiger Ekel. Auch bei den Kostümen Zitate aus Geschichte und Film.
Siegmund als Dschungelkämpfer bei Ché Guevara. Wotan als Privatmann im Unterhemd und in der weißen Paradeuniform als Reichsmarschall und Reichsminister der Luftfahrt Hermann Göring oder General Pinochet.
Fricka trägt Prada und schleppt Einkauftüten - gegen den Frust. Brünnhilde im Piloten - Overall - warum bemüht man sich eigentlich um ein gutes Design, während auf der Bühne ein Sammelsurium, genannt Installation, den Blick auf das wichtige Geschehen ablenkt.
Die exzellente Personenregie von Antony Pilavachi, die in jedem Moment die Beziehungen der Personen eindeutig sichtbar machte, braucht den ganzen Plunder nicht.
Die Sängerschar war recht unterschiedlich in der Qualität. Andrew Sritheran, stattlicher, sympathischer Vertreter des Heldentums aus Neuseeland, gewann die Herzen mit kraftvollem, jugendlichem Tenor, ohne Mühen, richtig besetzt. So soll es sein!
Andreas Haller als Hunding, ein erfahrener Bass - Recke, charakterisierte im Großgrundbesitzer-Mantel mit Pelzkragen glaubhaft den Haustyrannen.
Wotan in der schlanken Gestalt, mit der gut fokussierten Baritonstimme von Stefan Heidemann, jugendlich, heutig, ein cooler Machtmensch voll Trotz, aber auch voller Zweifel, der am Schluss aus dem Bild heraustritt und als vereinsamter Mann betrachtet, was er anrichtete. Stefan Heidemanns besonnene Entwicklung vom lyrischen bis zum Charakter - und vorsichtig dosierten Heldenfach - spricht für richtige Selbsteinschätzung. Alle Guten Wünsche für den weiteren Weg.
Marion Amman, von zierlicher Gestalt und intelligenter Darstellung überforderte ihren Sopran mit eisernen Willen und zwang ihm die Sieglinde mit heraustretenden Halsadern und - sehnen ab, kämpfte in der falschen Gewichtsklasse, was ihr jeder Sportverein verbieten würde.
Auch Rebecca Teeem als Brünnhilde ist voll das Opfer ihres Karrieredenkens. Sie ist musikalisch, phrasiert geschickt in bequemen Lagen, aber wenn die Kraftreserven für die letzten Phrasen: "... doch gib Grausamer" und "den freislichen Felsen" nicht ausreichen und die Töne wegbleiben, dann zeigt es sich, das diese kleine Person Raubbau an sich selbst treibt.
Veronika Waldner als Fricka und Waltraute zu hören war dagegen eine Wohltat. Eine runde, gepflegte Stimme in einer eleganten Erscheinung, alle Facetten eheweiblicher Streitkunst mit Wotan - wenn "deiner ewigen Gattin heilige Ehre" noch mehr Legato erhielte, wäre sie perfekt.
Das Ensemble der Walküren, erfreulich jugendlich frisch, alle Stimmen gesund und voller Sangesfreude, darauf kann das Haus stolz sein.
Viel Beifall, großer Jubel beim Publikum - der alte Zauberer Richard Wagner gewinnt immer.
M.L. Gilles
Weitere Stimmen unserer Mitglieder:
- Ausgezeichnete Aufführung für ein kleines Haus, die Sänger sind vor allem auch in ihrer Textverständlichkeit zu loben.
- Bühnenbild des 1. Aktes zu voll gestellt, dagegen die Video-Projektionen sehr eindrucksvoll.
- Sehr guter Gesamteindruck, der Siegmund Andrew Sritheran, eine Wagner-Stimmen-Entdeckung.