Was hat Richard Wagner in einem Haus für jüdische Musik verloren? Eliah Sakakushev-von Bismarck, geschäftsführender Direktor der Villa Seligmann, gibt gleich zur Begrüßung die Antwort: Wagners Musik wird auch von vielen jüdischen Musikerinnen und Musikern geliebt. In den Grußworten werden als Ehrengäste Herr Rainer Fineske, Präsident des RWVI sowie Frau Prof. Eva Märtson, Ehrenvorsitzende des RWV Hannover und ehemalige Präsidentin des RWVI, besonders begrüßt. Der Vorsitzende des Hannoveraner Verbandes, Thomas Winiarski, ruft anlässlich der Veranstaltung zu Spenden für das Ukraine-Projekt (Förderung von Stipendiat:innen der Schwesterverbände in der Ukraine) des RWV Hannover auf.
Rainer Fineske, Prof. Eva Märtson, Eliah Sakakushev-von Bismarck, Thomas Winiarski (Foto: Stefan Arndt)
Der tiefere Grund für diesen Abend ist ein anderer: Was international noch eher die Ausnahme ist: die Zusammenarbeit einer jüdischen Kulturinstitution mit einem Richard Wagner-Verband. Hier in Hannover wird es gewagt. Wie so oft in der Geschichte der Richard Wagner-Verbände, nimmt der RWV Hannover hier einmal wieder eine Vorreiterrolle ein. Schon lange war das Projekt geplant und musste Pandemie-bedingt fast zwei Jahre verschoben werden. Thema der außergewöhnlichen Kooperation ist das Verhältnis von Richard Wagner zu Giacomo Meyerbeer.
In seinem Vortrag Mein hochverehrter Herr referierte Dr. Frank Piontek, wie der berühmte Meyerbeer den jungen Wagner förderte und wie Wagner sich später gegen seinen Gönner gewandt hat – vor allem in der berüchtigten Schrift Das Judentum in der Musik. Viele bekannte, aber auch unbekannte Details erläutert „Pio“, wie ihn viele Bayreuther nennen, mit sehr viel Hintergrundwissen eines Kulturpublizisten.
Neu war vielen Teilnehmern, dass das Ehepaar Seligmann 1910 zu den Gründungsmitgliedern des hannoverschen Wagner-Verbandes gehörte. Der Vorsitzende des RWV Hannover, Thomas Winiarski, berichtete auch von der Spendenfreudigkeit der Seligmanns, die allein im Gründungsjahr fast das Monatsgehalt eines Arbeiters gespendet haben. Er schenkt Herrn Sakakushev-von Bismarck den Jahresbericht von 1910, aus dem nahezu alle fördernden, wichtigen Damen und Herren der damaligen hannoverschen Gesellschaft hervorgehen. In der Pause lud der RWV Hannover die Besucher zu einem Glas Sekt in den Garten der Villa ein.
Beim anschließenden Liederabend, der von Paul Weigold, dem künstlerischen Leiter des RWV Hannover moderiert wurde, traten die Mezzosopranistin Esther Choi und der Tenor Paweł Brożek, ehemaliger Stipendiat des RWV Hannover, auf.
Paul Weigold, Esther Choi, Paweł Brożek (Foto: Barbara Krüger)
Zum Vortrag kamen Lieder von Meyerbeer und Wagner, die für die Pariser Salons komponiert, im intimen Rahmen der Villa Seligmann eindrucksvoll zur Geltung kamen. Frühe italienische Lieder von Giacomo Meyerbeer bildeten den Ausgangspunkt. Es folgten Kompositionen zu französischen Texten aus der Zeit um 1840, von denen besonders die elegische Szene Le poète mourant von Meyerbeer hervorzuheben ist, die Paweł Brożek mit eindringlicher Emphase und leidenschaftlichem tenoralen Schmelz vortrug. Esther Choi beeindruckte in den folgenden Wesendonck Liedern von Richard Wagner mit tief empfundenem Ausdruck und dem facettenreichen, runden Klang ihrer Stimme. Drei Lieder von Giacomo Meyerbeer für Tenor nach Texten von Heinrich Heine rundeten das Programm ab. Die Zugabe bildet die Serenata von Gioachino Rossini, die beide Künstler im Duett musizierten. Paul Weigold begleitet das Programm am hauseigenen Steinway eindrucksvoll und einfühlsam.
Lang anhaltender Applaus am Ende dieser sehr erfolgreichen und ausverkauften Veranstaltung am Himmelfahrtstag.
Eines ist für beide Kooperationspartner sicher, es werden weitere Veranstaltungen folgen.
Thomas Winiarski (Vorsitzender) & Paul Weigold (Künstlerischer Leiter)
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