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Betrachtet man Siegfried vom Standpunkt Wotans aus, der "den hehrsten Helden der Welt" durch Inzest entstehen ließ, damit der "freier als ich, der Gott" sei, um eine neue, an der Liebe orientierte Weltordnung zu schaffen, so sind die Späße einer Inszenierung wie in Detmold ein Ärgernis. Betrachtet man dagegen den Siegfried im Rahmen der Ring-Tetralogie aber als "Scherzo", so wandelte sich die bange Frage "Was steht uns denn jetzt bevor?" der 25 an der Reise nach Detmold teilnehmenden Mitglieder des Richard Wagner Verbandes Hannover in Bewunderung für eine erstaunliche sängerische und orchestrale Leistungen und eine höchst lebendige Inszenierung.

Kay Metzger hat beim seligen August Everding aktionsreiches Theater gelernt. Die Geschehnisse im Ring, die Typologie der Figuren lassen sich auf die Probleme der unterschiedlichen Zeitalter übertragen, anders als bei Puschkin, Strindberg, Ibsen oder Gerhart Hauptmann mit ihren zeitlich gebundenen Sozialsaussagen und wir Zuschauer haben uns daran gewöhnt. Das Landestheater Detmold, ein im klassizistischem Stil erbautes und 1919 eröffnetes Haus mit 648 Plätzen, Orchestervergütungsklasse B, dessen sich viele andere Orte bedienen, wagt den Ring, in der Orchesterfassung von G. E. Lessing, die es erlaubt, auch mit einem kleinen Platzangebot im "Graben" auszukommen und somit das Werk auch in kleineren Theater zu spielen.

Das Erscheinen des Intendanten vor dem Vorhang verheißt meist nichts Gutes, aber der lebhaft auftretende Kay Metzger kündigte an diesem Abend den kurzfristig angereisten John Keyes als Siegfried an, der vielleicht die Hammerschläge in den Schmiedeliedern handwerklich nicht genau beherrsche, weil er das in seiner letzten Inszenierung nicht gebraucht habe (!!!). Na, daran soll 's nicht liegen! Schön schaurig beginnt das Vorspiel unter der Leitung des GMD Erich Wächter, der den Abend besonnen und mit offensichtlichem Genuss leitet. Richard Wagner macht uns von vornherein klar, dass in allem, was geschehen wird, "der Wurm" drin ist, die Gier nach Besitz und Macht regiert.

Das Bild des ersten Aufzuges zeigt Mime´s Behausung vor der langsam verdorrenden Weltesche als schmuddeligen Wohnwagen auf einem schäbigen Campingplatz mit einem quietschbunten Raumteiler zur übrigen Welt. Hier werkelt der vortreffliche Bruno Gebauer hingebungsvoll die Traumrolle aller gereiften Spieltenöre, präzise und textverständlich gestaltend, was ihm den verdienten Erfolg beim Publikum einbringt. Gelächter, das auf einem hohen C endet, ertönt und ein Hüne in Hippie-Fummeln stellt sich mit einem echten, gesunden Heldentenor als Siegfried vor, John Keyes. Er steht, bis auf eine Ermüdung nach den Schmiede-Liedern diese mörderische Partie mit der Kraft des wahren Schwerathleten durch und gewinnt die Sympathien durch schöne vokale Linien, gute Diktion und den rührenden Charme eines "Riesen-Babys". Schade, dass Meister Richard Wagner das hit-verdächtige Thema: "Aus dem Wald fort in die Welt ziehn, nimmer kehr' ich zurück!" nur so kurz verwendet, es ist so erfrischend.

Dann erscheint Wotan, der Wanderer, elegant, ein wenig mafiös, ein Ex-Politiker auf Vortragsreise. Mark Marouse, ein prächtiges Mannsbild mit gut fokussiertem Heldenbariton, der die Wertschätzung seiner Hörer noch erheblich steigern könnte, wenn er die Anfangs- und Endkonsonanten deutlicher platzieren würde, denn bei Richard Wagner ist die Sprache genauso wichtig wie die Musik und sie stört die Gesangslinie überhaupt nicht - im Gegenteil. Das gefährliche Frage- und Antwortspiel zwischen Wotan und Mime als russisches Roulette anzulegen, ist ein geistvoller Einfall, und Mime wird seinen Kopf an den verlieren "der das Fürchten nicht gelernt!". Der schmiedet sich jetzt, nachdem er die Schwertstücke in einer Art Fleischwolf zerbröselt hat, mit Feuer in der Esse, Gussform und zischendem Wasser, seinen unbesiegbaren Nothung, der Amboss aber bleibt heil, denn Siegfried wirft bei seinem Davonstürmen nur ein Verkehrsschild um.

Das Bühnenbild des zweiten Aufzuges zeigt dem Publikum eine Datscha im Wald, davor ein Jäger-Hochsitz und ein gelbes Telefonhäuschen, wie es "Ekel Alfred" in "Ein Herz und eine Seele" benutzt. Gerd Vogel, der wendige, glatzköpfige Alberich, jetzt noch mit Pelzmütze, lungert auf dem Hochsitz und raucht. Im provokanten Gespräch mit Wotan offenbart er, dass er den Kampf um den Ring und die Weltherrschaft noch nicht aufgegeben hat, während Wotan ermüdet meint: "Des Ringes waltet, wer ihn gewinnt." Es ist eine Freude, diesem knackigen Bariton zuzuschauen und zuzuhören, denn von ihm versteht man jedes Wort, und so soll es sein - Bravo!

Mime führt Siegfried heran, in der Hoffnung, dass Fafner den Junghelden das Fürchten lehrt. Der aber jagt ihn davon, den Alp "griesig und grau, klein und krumm, höckrig und hinkend, mit hängenden Ohren, triefigen Augen - fort mit dem Alp! Ich mag ihn nicht mehr seh'n.". Da nützt auch kein Ledermantel und keine Gebirgsjägermütze. Nun zaubert das Orchester das "Waldweben" und John Keyes kann zeigen, dass er schöne, liedhafte Linien singen kann. Drei hübsche Blumenkinder huschen heran, Flöte, Klarinette und Oboe intonieren Vogelrufe, es gibt ein Picknick mit Rauschmittelkonsum bis Siegfrieds Hornruf sie zur Seite treibt und die Datscha sich öffnet, in der Fafner als deutscher Michel im Bett liegt, an der Wand das Gemälde mit dem röhrenden Hirsch, daneben die glitzernde Tarnkappe. Als misstrauischer Kapitalist hat Fafner Schutzhandschuhe, Stahlhelm und eine kleine Flak zur Hand. Wladimir Miakotine singt mit Mikroport, die Stimme hallt schön gruselig, im Sterben warnt er in einen letzten freundlichen Moment: "der dich Blinden reizte zur Tat, berät jetzt des Blühenden Tod!"

Die Blumenkinder gruppieren sich um das Telefonhäuschen, Siegfried saugt sich Fafners Blut vom Finger und versteht jetzt den Gesang des Waldvogels, der auf dem Dach des Telefonzelle sitzt. Alberich wird darin gefangen - großartig zu sehen, wie Gerd Vogel dem Streit zwischen Mime und Siegfried zuhört und dies ausspielt. Der eklige Schwätzer Mime wird mit Nothung getötet, Siegfried erkennt, dass er, der das Fürchten nicht kennt, die Braut hinter dem Feuer gewinnen wird und er stürmt im prächtigen Nachspiel in E-Dur aus dem zweiten Aufzug.

Der ästhetische Höhepunkt der Aufführung ist die nun folgende Erda-Szene. Wände bilden zwei Rundungen, im Hintergrund die Weltesche, dieses ehrwürdige Symbol für die Verwüstung der Welt durch Gier und Hochmut. Wotan ruft Erda herbei und es erscheint aus dem Stamm Evelyn Krahe in erdbraunem Seidengewand, den Kopf geformt wie Edward Munks "Schrei", mit anmutigen Adagio-Bewegungen und wohltuend klingender Altstimme. Viel gibt diese Szene zu denken: Die Entrechtung der Frauen durch das Patriarchat "dein Wissen verweht vor meinem Willen" nennt es Wotan und wir wissen, was daraus bis heute an Grausamkeiten in Kriegen wurde. In äußerster Stille lauscht das Publikum bis die wunderbare Erda, sich in den Stamm des Baumes wickelnd, verschwindet und mit Recht wird die Sängerin Evely Krahe beim Applaus gefeiert.

Der Konflikt der Generationen führt in der Begegnung Siegfrieds mit seinem Großvater Wotan zur Zerschlagung des Speers, der einst Siegmund, den Vater, wegen der inzestuösen Liebe zu Sieglinde tötete. Ermüdet von seinen Verstrickungen muss Wotan die Jugend ihren Weg gehen lassen und "Er verschwindet plötzlich in völliger Finsternis". Die Wände, in denen das Publikum in einem Ausschnitt Loges Feuer flackern sieht, fahren zur Seite. Im weißen Gewand, eine Kriegsbraut aus der Walküre, sitzt Brünnhilde schlafend auf einem der roten Stühle, wie sie auch im Zuschauerraum stehen. Als Siegried den Schild beiseite legt und ihre Brünne entfernt, verwirrt ihn die Erscheinung einer Frau so sehr, dass er nach der Mutter ruft und jetzt endlich das Fürchten gelernt hat.

Richard Wagner moduliert nach C-Dur, helle Bläserakkorde und das Glitzern der Harfen begleiten Brünnhildes Erwachen ins Licht. Ingeborg Zwitzers singt "Heil, dir Sonne!" Welch ein Lebensweg einer Sängerin. Sie war Oscar in meiner Maskenball-Inszenierung von 1987, 2002 war sie Marschallin in Regensburg, sang sich weiter durch die Literatur und ist nun hier bei der Brünnhilde angekommen. Der unermüdliche Siegfried von John Keyes wird noch einmal durch eine ausgeruhte, attraktive Braut angefeuert. Die Bühne bietet Möglichkeiten des Fliehens und sich Findens bis der Schlussjubel sich ausbreitet. Und da wünscht man sich dann doch eine echte Hochdramatische bei allem Respekt vor dem Kampfgeist von Ingeborg Zwitzers. Wenn eine Stimme so austrainiert ist, wird sie hart und das hohe C am Schluss gibt Richard Wagner als halbe Note vor.

Das Publikum ließ sich auf diese moderne, einfallsreiche, nicht geschmacklose Inszenierung ein und dankte mit lang anhaltendem Schlussbeifall. Die Musikfreunde des Richard-Wagner-Verbandes Hannover fuhren vergnügt und lebhaft diskutierend zurück, manchem war das Orchester zu laut, aber in einem so kleinen Haus überrollen einen nun mal des Meisters Klangwogen.

MLG

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