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"Wie geht ein kleines Haus mit einer so großen Oper um?"

Diese Frage beschäftigte die 24 Musikfreunde des Richard-Wagner-Verbandes Hannover, die sich zu gemeinsamen Erlebnis am 26. September auf die Reise machten.

Die Nachricht, dass John Dew, der Einfallsreiche und Erfahrene die Regie übernahm, dass das bewährte Freundespaar Heinz Balthes und José-Manuel Vazquez Bühnenbild und Kostüme erarbeiteten, ließen erleichtert aufatmen, denn es waren keine Scheußlichkeiten zu erwarten.

Ein transparenter Vorhang mit Schwanenmotiv und üppigen Ornamenten teilt die Bühne, Chor und Orchester hinter diesem Vorhang, die Solisten agieren davor. Das blausilberne Vorspiel verzaubert die Zuhörer, der Vorhang erstrahlt ebenso und die Gralsmusik deutet ein Lichtstrahl.

Ortrud erscheint auf der Vorbühne und legt blutrote Steine zu einem magischen Kreis, dazu einen hölzernen Wotan-Fetisch. Ein Schadenszauber soll die Widersacher treffen und sie erglüht in höllenrot. Die Symbolfarben stehen also fest: weiß und hell gleich gut, dunkel gleich böse, so einfach ist das. Es steht also ein Märchen bevor, der Kampf um die Macht zwischen Engelchen und Teufelchen.

Nachdem die Gralsvision in A-Dur entschwebt ist, bricht die Realität mit Synkopen und viel Blech herein, also es herrscht Aufbruch zu Krieg anno domini: 933. Die ethnischen Probleme zwischen Brabantern, Sachsen und Thüringern und Friesen verschwinden hinter dem Märchenvorhang des en bloc fabelhaft singenden Chores aus Sofia unter der Leitung von Violeta Dimitrova. Der Heerrufer, Christoph Burdack, sollte seinen schönen Bariton - bei der intelligenten Vita - besser fokussieren und Textverständlichkeit von Fischer-Dieskau lernen.

König Heinrich, gewandet in gold-braun und roter schwerer Seide, assistiert von schwarz-verschleierten Geistern, die immer wieder notwendige Requisiten zur Stelle oder wegschaffen (ohne Zweifel ein großes Erlebnis für die Schülerinnen des Ratsgymnasiums Minden so hautnah dabei zu sein!) - Andreas Hörl, ein hochgewachsener Märchenkönig, ist für die meisten der Musikfreunde die erfreulichste Entdeckung des Abends. Eine gesunde Stimme, mit prächtiger Höhe - die sonst den Bässen meist ja so viel Mühe bereitet - guter Diktion und so engagiertem Spiel, dass bedauerlicherweise Richard Wagner die politische Ebene des Stückes, die er doch auch in der flandrischen Rechtsgeschichte sorgfältig studierte, zugunsten der "Love-Story" als zweitrangig erachtete. Mit dem freundschaftlichen Rat, am Vokalausgleich zu arbeiten, damit der Vokal "i" nicht in die Nase rutscht, hoffen wir für Andreas Hörl auf eine erfolgreiche Sängerlaufbahn.

Die Gerichtsrede Telramunds, von Wagner nach den Gesetzen der klassischen Rhetorik konstruiert, wird von Heiko Trinsinger - in kleidsamem erdbraunen Seidenmantel - mit gut sitzendem, hellem Bariton wild und grimmig gesungen, so wie er dem Publikum den ganzen Abend lang erscheint. Erst beim Applaus strahlt sein Gesicht so, dass der König ihm gern "der höchsten Tugend Preis" zuerkennt. Ein aufrechter Landedelmann und verdienter Truppenführer argumentiert nicht mit eingeknickten Beinen und schrägem Oberkörper, gebrochen wird er erst durch den unfairen Zweikampf mit dem "Zauberer" Lohengrin.

Elsa erscheint an den Händen gefesselt vor dem König und damit vor Gericht. Man hat ihr in den einsamen, trüben Tagen Nadel und Faden weggenommen, denn ihr Gewand ist ungesäumt. Kamm und Blondiermittel fehlen ihr auch, der Ansatz ihrer Strubbelmähne ist verräterisch dunkel. Anna Gabler, von schlanker mädchenhafter Gestalt, mit leuchtender, alle Gefühlsregungen ausdrückenden Stimme verkörpert Elsa in jedem Augenblick glaubhaft. Ihren kurzen Lebensweg vom schwärmerischen Teenager über die erwartungsvoll Liebende, in ihrer Seligkeit leicht zu Beeinflussende, Verzweifelte und schließlich Alleingelassene erlebt das Publikum in konzentrierter Anteilnahme. Ebenso erfreut es sich an der Eleganz mit der sie die jetzt tadellos blondierten Frisuren und die zauberhaften Kostüme von Meister Vazquez trägt - so soll es sein!

Lohengrin ist der monumentale John Charles Pierce, ein routinierter Recke - schon in Chemnitz sang er die Titelrolle - in weißem Kostüm, teilweise gepanzert. Er erscheint aus dem Nebel in der vorderen Tür des Zuschauerraums und bedankt sich zart falsettierend beim lieben Schwan. Jeder weiß, wie schwer ein voix mixte in der Lage des passaggio ist, aber man hat es noch im Ohr von Sandor Konya und dem jungen René Kollo, das zauberhafte messa di voce zwischen pp, p und mezzoforte, aber hier wird gemogelt. Schon beim Gruß an den König, das "segenvoll" auf den hohen A und die folgende Phrase zeigen wie sich John Charles Pierce die Partie zurechtgelegt hat, damit nichts schiefgeht. Wie ein Rennfahrer, der weiß, wieviel Gas er geben muss, um aus der Kurve zu kommen, erlebt man anschaulich, wie der Atemdruck für die sicher gestemmten hohen Töne kalkuliert wird und obwohl Richard Wagner die Atempausen schon komponiert hat, wird sicherheitshalber nach jedem dritten bis fünften Ton geatmet. "Weh, nun ist all" unser Legato dahin!

Das Teufelchen in diesem Spiel, Ortrud, die adelsstolze Friesin hat im ersten Akt zwar nur ein Ensemble zu singen, könnte aber vorführen, mit wieviel Raffinesse sie ihren Muskelprotz Telramund manipuliert. In Ruth-Maria Nicolay sieht man ein giftiges Frauchen mit braunem Dutt in muffig-moosgrünem Kostüm. In weiteren Verlauf des Werkes findet sie zwar zu erheblicher Lautstärke bei den hohen Tönen, die vom Publikum beim Applaus auch mit Respekt quittiert werden, aber für die wunderbar schmeichelnden Phrasen und den psychologisch ausgeklügelten Text wünscht man sich ein samteneres Organ, wie es Christa Ludwig einmal hatte.

Beachtenswert der Schluss des Werkes in Minden. Weder Elsa noch Ortrud sinken zu Boden, sondern zwei einsame Frauen starren in die Zukunft, in der sie das Chaos, das die männlichen Helden hinterlassen haben, wie es nach allen Kriegen üblich ist, aufräumen müssen.

Trotz einiger Einschränkungen boten die Sängerdarsteller ein fesselndes Ensemble-Spiel - von keinerlei Regietheater-Mätzchen gestört, ganz ehrlich auf sich selbst gestellt, erlebte das aufmerksame Publikum größtenteils junge von der Aufgabe begeisterte Talente und war dankbar für diesen "Lohengrin pur".

Die Beziehungen der Figuren zueinander waren jeden Augenblick klar erkennbar, der Text weitgehend verständlich, Bühne und Zuschauer fanden so eng zusammen, wie man es nur wünschen kann.

Ein Höhepunkt ist die jugendliche Nordwestdeutsche Philharmonie unter Frank Beermann, die wohltuend unroutiniert den Hörern nahebringt, welch großer Symphoniker dieser Richard Wagner ist, dem man gebannt zuhört, ohne Bühnenaufbauten oder langwierige Prozessionen zu vermissen.

Die Hochachtung der mitreisenden Mitglieder des RW-Verbandes Hannover gilt neben den "Profis" all den Idealisten, allen voran Frau Dr. Winckler, Vorsitzende des RW-Verbandes Minden, die dieses Erlebnis ermöglichten.

MLG

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