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Mühen mit dem Helden

Nach dem Rheingold, das sehr neugierig machte, und der Walküre, die vor allem szenisch Fragen aufwarf, war die Spannung umso größer, wie Barrie Kosky sich nun dem Siegfried nähern würde. Nicht ganz ohne Grund gilt – gleichermaßen für die Menschen vor, hinter und auf der Bühne – der Siegfried als das sperrigste der vier Stücke. Es ist nicht nur ein langes Stück, es hat vor allem Längen, die gelöst und überbrückt werden wollen – damit kein langatmiger Abend entsteht.

Die Bühne, wie bisher von Klaus Grünberg entworfen, zitiert zum ersten Akt die bereits aus dem ersten Bild des Rheingolds bekannte Welt des Varieté. Mime ist ein Jude mit Kippa und Gebetbuch, der auf einer Art Bühne lebt, die Schmiede ist ein großer Herd, der nicht nur backen, sondern dann auch Schwerter produzieren kann. Siegfried tritt als aufgepolsterter Superman mit einem überlebensgroßen Bären – ein Statist – auf, legt sein Kostüm aber recht schnell ab und trägt, wie Mime auch, T-Shirt, kurze Hose, schaurig spießige Sandalen und Socken – die Kostüme hat ebenso wie bisher Klaus Bruns gestaltet.

In kurzen Hosen, Jackett, verfilzten grauen Haaren und überdimensioniertem Speer tritt Wotan als Wanderer auf. Und wenn es ans Schmieden geht, schlägt Mime rhythmisch Schüsseln aneinander, während Siegfried mit einem ebenfalls viel zu großen Hammer aus irgendeinem weichen Material geräuschlos auf das Schwert einschlägt. Dazu schießen bunte Flammen aus dem Herd, wenn Nothung fertig ist, fliegt silberner Glitter über die Bühne. Alles ist Show.

Der zweite Akt spielt in einem schmalen, hohen Raum mit Kassettenwänden. Rechts, links und in der Mitte mit Vorhängen verhangene Ausgänge, in der Mitte tut sich zunächst ein Spiegel dahinter auf, aus dessen Hintergrund dann Fafner als Zitat des Elefantenmenschen erscheint und sich mit Siegfried eher einen unbeholfenen als einen irgendwie bedrohlichen oder sonst wie starken Kampf liefert. Der Waldvogel ist ein kreischendes blondes Püppchen, irgendwo zwischen Olympia und Judy Garland.

Ebenfalls bereits aus dem Rheingold bekannt ist die alte, nackte Statistin (Evelyn Gundlach), die als Erda auftritt. Jetzt, zu Beginn des dritten Aktes, taucht sie aus einer Muschel auf, in die sich Wotan auch mal mit hereinkauert. Das Bild, was Kosky und Grünberg für diese Szene schaffen, hat durchaus seine Wirkung – dass der Szene allerdings einiges verloren geht, wenn zwischen Wotan und Erda keine unmittelbare Aktion stattfindet, weil die Gesangsstimme eben aus dem Off kommt, kann das nicht ganz überbrücken.

Im Schlussbild begegnet die aus dem letzten Akt der Walküre bekannte Tankstelle wieder, dieses Mal jedoch auf den Kopf gestellt, in ein Meer von flammenden Lichtern gehüllt. Brünnhilde liegt da noch immer in ihrem Motorradfahrer-Outfit, Siegfried hat auf dem Weg zu ihr irgendwo Hose und Shirt von Papa Siegmund gefunden und angezogen. Das ergibt als stehendes Bild durchaus einen Zusammenhang, hat auch Stimmung. Konzentrierte Personenführung ist hier leider auch nur selten zu bemerken.

Im Einzelnen sind viele Details zu erkennen und auch einzuordnen, in der Summe bleibt das Ergebnis allerdings eher schmal, denn aus allen diesen nicht immer schlüssig und konsequent durchgezogenen Ideen baut sich keine über den ganzen Abend tragende Geschichte auf. Dabei hätte sich aus einzelnen Aspekten sicher etwas machen lassen. Schade, hier ist einiges verschenkt.

Wolfgang Bozic hat mit dem Staatorchester insgesamt zu besserer Form gefunden als in den beiden vorangegangenen Premieren. Hier und da hat er zwar Schwierigkeiten, Bühne und Graben zusammenzuhalten, klingen manche Blechbläsereinsätze noch immer etwas grob und verwackelt; demgegenüber stehen indes Momente, in denen Bozic mit seinen Musikern eindrucksvoll und differenziert in den Klangwogen badet oder fein ausgearbeitete kammermusikalische Momente gestaltet.

Robert Künzli debütierte als Siegfried und hat eine der wesentlichen Klippen dieser mörderischen Partie bestanden, indem er sie ohne deutlich hörbare Ermüdungserscheinungen durchgestanden hat. Sicher ist seine Stimme kein ausgesprochener Heldentenor und an einigen Stellen wäre etwas mehr Glanz, Strahl und Üppigkeit des Klangs wünschenswert. Hier kann Künzli sicher im Lauf der Vorstellungen mit etwas mehr Routine noch zulegen.

Johannes Preißinger schont sich stimmlich ebenfalls nicht, geht den Mime stellenweise mit arg viel Druck an – vielleicht auch durch die Regie gefordert – und kann daher die Farben seines Charaktertenors nicht ganz ausspielen. Insgesamt ist er Robert Künzli aber ein ebenbürtiger Partner und singt zudem immer wieder mit erfreulicher Textverständlichkeit.

Nicht ganz unproblematisch blieb am Premierenabend die Brünnhilde der Brigitte Hahn. Keine Zweifel bestehen daran, dass sie kein hochdramatischer Sopran im eigentlichen Sinn ist – und das sicher auch nie werden wird – gleichwohl hatte sie aber nach einem großartig gesteigerten dritten Akt der Walküre Hoffnungen auf die weiteren Partien geweckt. Die wurden leider eher enttäuscht. Die Siegfried-Brünnhilde ist sicher die undankbarste der drei, recht kurz, in unbequemen Lagen, satte Tiefe genauso abfordernd wie kernige und strahlende Höhen. Das alles klang bei Brigitte Hahn angestrengt, unfrei, teilweise klanglos in der mittleren und tiefen Lage und stumpf in der Höhe.

Béla Perencz singt den Wanderer mit großem, strömendem Bass-Bariton, sicher auch in den heiklen Lagen zu Beginn des dritten Aktes. Dass er bei allem Respekt für eine sehr gute stimmliche Leistung doch insgesamt blass blieb, mag dann auch eher an der Regie gelegen haben.

Frank Schneiders Alberich klang etwas spröde, ganz anders dagegen der famose Albert Pesendorfer als Fafner. Bereits als Fasolt und Hunding hatte er gezeigt, dass er sich in diesem Stimmfach sehr wohl fühlt, nutzt die kurze Partie jetzt einmal mehr, um Vorfreude auf den Hagen zu wecken.

Julie-Marie Sundal sang die Erda aus dem Hintergrund mit sattem, vollem Alt und einem sicher platzierten A am Ende ihrer Szene. Hinako Yoshikawa schließlich gab einen quirligen und höhensicheren Waldvögel.

Ganz ausverkauft war das Haus zu dieser Premiere nicht, im Lauf des Abends lichteten sich die Reihen noch etwas. Am Ende gab es kurzen, aber heftig zustimmenden Beifall für das Ensemble und Wolfgang Bozic, den inzwischen üblichen und daher wenig überraschenden Wettkampf zwischen Buh- und Bravo-Rufern für Barrie Kosky und sein Team. Ein wenig Müdigkeit war da beim Publikum durchaus zu merken.

Christian Schütte

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