Am 7. Juli besuchten über 20 Mitglieder des Richard Wagner-Verband Hannover e.V. die "Oper auf dem Lande", inszeniert von unserem Ehrenmitglied Prof. Hans-Peter Lehmann. Lesen hierzu den Bericht von Christian Schütte:
Eine Lanze für Lortzing
Ein Opernfestival unter freiem Himmel muss stets auf die Unberechenbarkeit des Wetters gefasst sein. Das zeigt sich zur Premiere des fünften Jahres der Oper auf dem Lande auf dem Rittergut Eckerde bei Hannover von seiner wechselhaften Seite. Immerhin, der seit ein paar Jahren als Veranstaltungsraum umgebaute Kuhstall ist kurzfristig bespielbar, wenn, wie bei den an diesem Samstagnachmittag aufgekommenen kräftigen Schauern, draußen absolut nichts mehr machbar ist. Er bietet jedoch nicht annähernd den Charme der Kulisse des Herrenhauses und des wunderschönen historischen Parks. Bevor dann der letzte der insgesamt drei Programmteile vor der Pause doch auf der Bühne vor dem Herrenhaus gegeben werden kann, hat ein kurzfristig im Kuhstall eingerichtetes Provisorium zu reichen gehabt. Immerhin, die Ausschnitte aus verschiedenen Opern Albert Lortzings haben vor allem gezeigt, welch lohnenswerte Werke für das Musiktheaterrepertoire sicher mit Gewinn wiederzuentdecken wären.
Im Ensemble, das überwiegend aus fortgeschrittenen oder bereits examinierten Studierenden der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover besteht, gibt es das eine oder andere Wiedersehen. Maximiliane Schünemann und Camilla Lehmeier sind im letzten Jahr schon dabei gewesen und zeigen nun mit der Arie der Undine aus Lortzings gleichnamiger Oper beziehungsweise mit der Arie der Irmentraut aus dem Waffenschmied, welch vielversprechendes Potential in ihnen steckt und welch wiederentdeckenswerte Musik Lortzing komponiert hat. Dass insbesondere der kaum noch gespielte Waffenschmied eine Reanimation unbedingt wert ist, zeigt auch Götz Philipp Körner mit der Arie des Georg – er lässt ebenfalls mit weich timbriertem Tenor in der Kavatine aus der Oper Die Opernprobe aufhorchen – und später zusammen mit Bariton Immanuel Klein mit der Introduktion. Im ersten Teil bleibt ebenfalls noch Julia Bachmann mit ihrem hellen lyrischen Sopran im Gedächtnis, den sie in der Ariette der Marie aus Zar und Zimmermann trefflich einzusetzen weiß. Auf der witterungsbedingt nach drinnen verlagerten Bühne reichen wenige szenische Andeutungen in diesem Panorama Lortzingschen Opernschaffens völlig aus, die musikdramatische Qualität zu unterstützen. Peter Leipold ist dabei ein souveräner Begleiter am Klavier. Immerhin kann die Bühne vor dem Herrenhaus kurz vor der Pause wieder bespielt werden. Das ist insofern besonders schön, als der Abschluss vor der Pause ein Kabinettstück des Nachwuchses geworden ist. Die Mädchen der Ballettschule „Ballett am Deister“ unter der Leitung von Christine Niederstrasser beenden den ersten Teil mit einem hinreißenden Holzschuhtanz.
Nach der Pause ist eine von einem bestens gelaunten Ensemble mit viel Spielwitz zu Leben erweckte gekürzte Fassung des Wildschütz zu erleben. Und die reicht, auf der kleinen Bühne mit mehr angedeuteten, aber sehr wirksamen szenischen Mitteln und den aufwändigen wie liebevoll gearbeiteten Kostümen von Irmgard Gums, um daran zu erinnern, was für ein witziges, von ursprünglichem Theaterinstinkt durchtränktes Stück diese komische Oper ist. Schade, dass Aufführungen so selten geworden sind. Auch im zweiten Teil präsentiert Maximiliane Schünemann, jetzt in der Rolle der Baronin Freimann, die Qualitäten ihres ausdrucksstarken Soprans, den sie mit schierer Leichtigkeit und klar artikulierend führt. Julia Bachmann ist ein quirlig-liebenswürdiges Gretchen, Juliane Harberg mit kraftvollem Alt eine ebenso schrullige wie autoritäre Gräfin. Daniel Dropulja verfügt zwar noch nicht über die schwarze Tiefe eines profunden Basses, zeigt aber als Baculus, dass da eine vielversprechende stimmliche Entwicklung ansteht. Die Stimme hat im Vergleich zu früheren Auftritten – auch er wirkt nicht zum ersten Mal bei der Oper auf dem Lande mit – deutlich an Format und Volumen gewonnen. Götz Philipp Körner leiht seinen Tenor dem Baron Kronthal, Dietmar Sander ist der lebenslustige Graf Eberbach, Camilla Lehmeier schließlich gibt den kurzen Auftritt der Nanette.
Nicht zu vergessen natürlich der spiritus rector der Oper auf dem Lande, Hans-Peter Lehmann. Mit der von ihm gewohnten liebevollen Handschrift setzt er die einzelnen Szenen genauso wie den gekürzten Wildschütz in lebendige Bilder um. Wo er im ersten Teil noch „nur“ die Rolle des Moderators übernommen hat, ist er nach der Pause schließlich als kauziger und herrlich sächselnder Haushofmeister Pankratius mitten im Bühnengeschehen dabei.
Natürlich müssen Abstriche in der klanglichen Wirkung gemacht werden, wenn eine Opernpartitur für ein klassisch besetztes Orchester nun von einem Kammerensemble aufgeführt wird. Matthias Wegele führt die Musiker, von kleinen Unsicherheiten abgesehen, sicher durch die Lortzingsche Klanglandschaft. Mit großem Engagement ist, auch szenisch, der Extrachor des Heimatchores Eckerde bei der Sache.
Überaus herzlicher Applaus für einen sehr gelungenen Ausflug in das Opernschaffen Albert Lortzings.
Christian Schütte